Aus welchen Gründen auch immer ein Arbeitgeberwechsel ansteht, fast immer ist er begleitet von der Frage „Was kann ich dort (mehr) verdienen?“. Ein Gehaltssprung ist aber leider kein Automatismus, sondern in den meisten Fällen das Ergebnis eines intensiven Verhandlungsprozesses.
Wie aber vorgehen, wenn Sie lange Zeit bei ein und demselben Arbeitgeber beschäftigt waren, nach Tarif bezahlt worden sind oder ganz einfach schon lange nicht mehr ein Gehalt oder eine Gehaltserhöhung verhandeln mussten? In diesem Artikel gibt die Gehaltsexpertin Karin Schwaer Tipps zum souveränen Umgang mit der Gehaltsfrage in der Bewerbungs- und Interviewphase.
Manchmal stellt eine Gehaltsverhandlung die Weichen für viele Jahre
Inhalt des Artikels
Ein Gastartikel von Karin Schwaer
In vielen Karriereratgebern wird dazu geraten, sich „alle paar Jahre“ neu zu orientieren, d.h. den Arbeitgeber zu wechseln. Denn ein Jobwechsel könne durchaus mit einem (ordentlichen) Gehaltssprung einhergehen. An dieser Aussage ist definitiv etwas dran. Sie darf aber nicht als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden. Ein Gehaltsplus fällt selten vom Himmel, sondern ist das Resultat einer Verhandlung.
Grundsätzlich sind die Vergütung sowie die dazugehörigen Rahmenbedingungen Verhandlungssache. Niemals sollten Sie davon ausgehen, dass irgendetwas, das Ihnen wichtig wäre, nicht auch verhandelbar sein könnte. Und dass sowohl in tariflichen Gefügen wie auch im außertariflichen Bereich. Diese Erkenntnisse gilt es bei einer Gehaltsverhandlung zu nutzen.
Alles, was Sie zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses verhandeln, stellt häufig die Weichen für viele weitere Jahre. Daher ist es wichtig, hier zu einem für BEIDE Seiten fairen Ergebnis zu kommen. Gerade am Anfang sind für gewöhnlich auch beide Seiten daran interessiert, einen guten gemeinsamen Start für eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zu finden.
Die Klärung der Gehaltsfrage sollten Sie keinesfalls dem Zufall überlassen. Eine zielgerichtete Vorbereitung ist also wichtig. Eine Haltung im Sinne von „Ich höre mal, was mir so angeboten wird“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur teuer sondern auch sehr karriereschädlich enden. Denn sie zeigt einem potentiellen neuen Arbeitgeber, dass Sie sich gerade NICHT vorbereitet haben.
Doch was gehört nun zu einer guten Vorbereitung im Umgang mit der Gehaltsfrage im Bewerbungsprozess dazu?
- Angemessene und aktuelle Gehaltshöhe herausfinden – sprich den eigenen Marktwert ermitteln.
- Der Umgang mit der Angabe der Gehaltsvorstellung in der Bewerbungsphase.
- Ein souveräner Umgang mit der Gehaltsfrage im Jobinterview.
Sehen wir uns das ein wenig näher an. Los geht’s:
Wie finde ich meinen Marktwert heraus?
Intransparente Gehaltsstrukturen sind noch immer eher die Regel als die Ausnahme. Dennoch wird das Rad nicht täglich neu erfunden. Für eine erste Annäherung, welches Gehalt aktuell und angemessen ist, können Sie das Internet zur Hilfe nehmen. Auch wenn unterschiedliche Quellen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen können, ist eine Internetrecherche ein brauchbarer Einstieg ins Thema, denn Sie können zunächst folgende Frage klären:
Wo liegt überhaupt die sogenannte ZOPA, sprich Einigungszone?
Die ZOPA ist ein Begriff aus der Verhandlungsliteratur und bedeutet „Zone Of Possible Agreement“, übersetzt also die Einigungszone, innerhalb derer Sie sich bewegen könnten.
Wenn Ihre ersten Recherchen für eine bestimmte Position beispielsweise Ergebnisse zwischen 60.000 und 90.000 € liefern, kann dies als ZOPA angenommen werden. Gehaltsforderungen, die weit außerhalb dieses Bereich liegen, werden Sie letztlich wohl nicht verhandeln können.
Wo kann ich mich über Gehälter informieren?
Einen guten Einstieg in die Recherche der aktuellen Gehaltshöhe bieten folgende Internetquellen und -dienste:
Gehaltsreports und -studien geben Auskunft über übliche Gehälter in bestimmten Branchen und Positionen. Sie werden dort Informationen zu Durchschnittsgehältern und Mindest- und Maximalgehälter finden. Ein kurze Suchanfrage bei Google mit dem Begriff „Gehaltsreport“ oder „Gehaltsstudie“ liefert jede Menge Ergebnisse. Alle großen Job- und Bewerbungsportale und viele Personaldienstleister haben diese zwischenzeitlich im Angebot. Auch ein Blick in den Entgeltatlas der Arbeitsagentur könnte zum Einstieg hilfreich sein.
Die größten Arbeitsgeberbewertungsportale sind derzeit kununu und glassdoor. Im Gegensatz zu den Gehaltsreports erhalten Sie hier auf ein bestimmtes Unternehmen bezogene Informationen zu den Vergütungsstrukturen und Rahmenbedingungen. Diese Portale basieren zum Großteil auf Nutzerinformationen und liefern daher mehr oder weniger „brauchbare“ Ergebnisse. Doch wenn Sie sich für ein bestimmtes Unternehmen interessieren, ist ein Blick in diese beiden Portale wohl „Pflicht“.
Unternehmen wie z. B. Gehalt.de bieten individuelle Gehaltschecks an. Diese liefern – häufig gegen Angabe einer E-Mail-Adresse – individuelle Ergebnisse bezogen auf Qualifikation, Werdegang etc.
Wie kann ich noch tiefer in die Recherche einsteigen?
Sobald Sie sich für die Gehaltsstrukturen eines konkreten Unternehmens bzw. einer konkreten Stelle interessieren, sollten Sie diese vier Tipps berücksichtigten:
Tipp 1: Unternehmensspezifische Informationen recherchieren
Kombinieren Sie bei Ihrer Internet-Recherche den betreffenden Unternehmensnamen mit einer Reihe weiterer Kriterien wie Unternehmensgröße, Branche, Region und wirtschaftlicher Situation des Unternehmens.
Denn es ist gut zu wissen, dass
- die Größe eines Unternehmen Einfluss auf die Höhe der Gehälter hat: Bekanntermaßen zahlen große Unternehmen häufig höhere Gehälter. In kleineren Firmen kann dagegen der Verhandlungsspielraum größer sein.
- Gehaltshöhen auch von der Branche des Unternehmens bestimmt werden. So wird traditionell im Bereich Finanzen oder Pharma höher bezahlt als beispielsweise im Einzelhandel.
- sich regional unterschiedliche Lebenshaltungskosten auch häufig in den Gehaltsniveaus widerspiegeln.
- sich Gehaltsverhandlungen mit in „Schieflage“ befindlichen Unternehmen als schwieriger erweisen könnten als bei Unternehmen, die gemäß entsprechender Recherchen wohl „blendend“ dastehen.
Tipp 2: Potential der ausgeschriebene bzw. in Frage kommende Stelle bzw. Position analysieren
Letztlich ist die Gehaltshöhe natürlich auch vom Verantwortungsbereich abhängig. So haben Umsatz-, Personal- oder auch Budgetverantwortung für gewöhnlich Einfluss auf das Gehaltsziel. Auch sollten Sie überprüfen, ob es bereits in der Stellenausschreibung einen Hinweis zur Vergütung gibt. Das heißt dann (noch) nicht, dass es keinen Verhandlungsspielraum mehr geben könnte.
Tipp 3: Die eigene Erwerbsbiografie berücksichtigen
Da JEDE Verhandlung individuell zu betrachten ist, ist Ihre bisherige Erwerbsbiografie natürlich ebenfalls ein sehr zentraler Punkt. Die eigene Gehaltsentwicklung zu kennen, klingt zunächst mal selbstverständlich. Doch wenn Sie schon länger im Job sind, ist das keineswegs so banal, wie es sich anhört.
Machen Sie sich die Mühe und visualisieren mit Hilfe eines Zeitstrahls, wie sich Ihr Einkommen über die Jahre hinweg genau entwickelt hat. Welche absoluten und prozentualen Steigerungen können Sie jeweils verbuchen? Das wird Ihnen auf alle Fälle helfen, um das eigene Mindset auf „Das bin ich auf jeden Fall mindestens wert!“ einzustimmen und mit einer selbstbewussten Haltung auftreten zu können.
Dafür ist die Beantwortung folgender Fragen nicht nur hilfreich, sondern notwendig:
- Welche formalen Qualifikationen haben Sie?
- Über welche praktischen Erfahrungen verfügen Sie?
- Welche beruflichen Erfolge und Leistungen können Sie vorweisen?
- Welche Branchenkenntnisse besitzen Sie?
- Über welches Insider-Know-How verfügen Sie?
- Können Sie Spezialisierungen vorweisen?
Outplacement-Klienten haben an dieser Stelle Glück, da diese Fragen in einer Outplacement-Beratung bearbeitet werden. Nutzen Sie am besten direkt die eine kostenfreie Erstberatung, um sich über Outplacement zu informieren.
Tipp 4: Darüber nachdenken, weitere Informationsquellen „anzuzapfen“
Welche Informationsquellen könnten Sie weiterhin nutzen? Haben Sie möglicherweise in Ihrem persönlichen Netzwerk Kontakte, die über wertvolle Informationen zum Unternehmen und dessen Vergütungsstrukturen verfügen könnten?
Hier könnte auch ein Blick in die einschlägigen sozialen Medien helfen. Bei LinkedIn wird zum Beispiel angezeigt, wenn ein Kontakt in einem Unternehmen, für das man sich interessiert, beschäftigt ist oder war. Das ist zwar möglicherweise mit Vorsicht zu genießen, aber abhängig von der jeweiligen Situation könnte das BARES Geld wert sein.
Vielleicht ist der Kontakt zu einem Unternehmen auch über einen Headhunter oder eine andere Art von Vermittlung zustande gekommen? Dann gibt es wahrscheinlich schon ein valides Budget für die zu besetzende Stelle, über das man informiert werden kann.
Wenn Sie diese Recherchearbeit erledigt und sowohl Zahlen als auch ein gutes Gefühl für den eigenen Marktwert ermittelt haben, geht es darum, diese Vorstellung auch im Vorfeld zu möglichen Verhandlungsgesprächen zu platzieren.
Wie formuliere ich meine Gehaltsvorstellung bei einer BEWERBUNG?
In Stellenanzeigen ist häufig die Aussage „…dann bewerben Sie sich unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung…“ zu lesen. An der Frage, ob man die Gehaltsvorstellung in der Bewerbungsphase angeben sollte, scheiden sich die Geister. Es gibt Empfehlungen, den Hinweis zu geben, dass man die Konditionen gerne (erst) in einem persönlichen Gespräch klären möchte. Doch häufig wird die Angabe der Gehaltsvorstellung von potentiellen Arbeitgebern explizit gewünscht, bevor Gespräche geführt werden.
Diesen Hinweis zu ignorieren, kann dazu führen, dass die Reise zu Ende ist, bevor sie begonnen hat. Es besteht somit das Risiko, erst gar keine Einladung zu einem persönlichen Gespräch zu erhalten. Es ist allerdings auch nicht empfehlenswert, einen möglichst geringen Gehaltswunsch anzugeben, um auf alle Fälle zu einem Jobinterview eingeladen zu werden. Denn letztlich macht es keinen Sinn, ein Jobangebot zu akzeptieren, bei dem die Konditionen einfach nicht passen.
Spätestens jetzt geht es darum, dass Sie Antworten auf die drei Fragen geben können:
- Wo liegt Ihr Gehaltsminimum? Wo ist Ihr „walk-away-point“?
- Welche Gehaltsspanne ist für Sie realistisch?
- Wo liegt Ihr Wunschgehalt?
Wenn Sie diese Fragen beantwortet haben, steht die Entscheidung an, WIE Sie mit dem Ergebnis umgehen wollen.
Die Gehaltsvorstellung als Pflichtangabe in einem Bewerbungsportal
In Bewerbungsportalen ist die Angabe des Wunschgehalts häufig eine Pflichtangabe und eine Bewerbung kann erst gar nicht abgesendet werden, wenn das Feld „Gehaltswunsch“ leer bleibt. Dabei kann häufig nur eine Zahl – ohne jegliche Erläuterungen – eingetragen werden. Üblicherweise handelt es sich hier dann um das Jahresbruttogehalt. Dieses sollte sich dann zwischen „realistisch“ und dem „Wunschziel“ bewegen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass nicht im Rahmen konkreter Verhandlungen davon nochmal (nach oben) abgewichen werden könnte. Voraussetzung ist dann, dass Sie dafür eine gute Begründung haben. Eine Möglichkeit besteht darin, in der Interviewphase bzw. zu Beginn der Verhandlungsphase wie folgt zu erklären: „Die Angabe im Bewerbungsportal bezog sich meines Erachtens auf das Grundgehalt, sprich ohne weitere Gratifikationen, wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, 13. oder 14. Gehalt, Prämien, Boni, Provisionen. Es war mir wichtig, unternehmensspezifische Gehaltskonditionen mit Ihnen im persönlichen Gespräch zu klären“.
In die Gehaltsverhandlung sollten Bewerber auch so genannte „steuerfreie Arbeitgeberleistungen“ berücksichtigen, da diese das Einkommen auch erhöhen können. Manchmal geben Stellenanzeigen Hinweise, ob und welche Arbeitgeberleistungen ein Unternehmen anbietet. Spätestens in der Phase „Gehaltsverhandlung“ erhalten Bewerber hierzu Details.
Die Angabe des Gehaltswunsches im Bewerbungsanschreiben
Sofern Sie ein Bewerbungsanschreiben verfassen, können Sie hierin Ihren Gehaltswunsch nennen. Dort hätten Sie dann die Möglichkeit, mit einer Begründung – und ggfs. auch einer Spanne – zu arbeiten. Dazu ein kleines Beispiel:
„Meinen Recherchen nach wäre x € ein meiner Qualifikation entsprechendes marktübliches Grundgehalt. Alles weitere würde ich gerne in einem persönlichen Gespräch klären“.
Und wenn nun alles „gut gelaufen“ ist und es zum persönlichen Gespräch bzw. zur Verhandlung kommt, wird sich die intensive Recherchearbeit erneut auszahlen.
Wie verhandle ich mein Gehalt in einem VORSTELLUNGSGESPRÄCH?
Es ist immer empfehlenswert, die eigenen Forderungen anhand objektiver Kriterien gut begründen zu können. Und diese Begründungen liefern die durchgeführten Recherchen quasi „auf dem Silbertablett“. Auch dazu ein paar Formulierungsbeispiele im Hinblick auf einzelne Rechercheergebnisse:
„Ein Blick in den xyz-Gehaltsreport hat mir folgende Ergebnisse in Bezug auf die zur Diskussion stehende Stelle geliefert … “.
„Ein Internetdienst hat mir meinen Qualifikationen und meiner Berufserfahrung entsprechend folgendes Ergebnis geliefert …“
„Aufgrund von Unternehmensgröße, Branche und Firmensitz haben meine Recherchen ergeben, dass xyz € marktüblich ist. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir zum unternehmensspezifischen Gehaltsgefüge weitere Informationen geben könnten.“
Die Liste kann nun endlos fortgeführt werden.
Eine Formulierung finden, mit der Sie sich bei der Gehaltsverhandlung wohl und sicher fühlen
Damit Ihre Antwort auf die Frage „Was möchten Sie verdienen?“ nicht wie aus einem Ratgeber für die „10 besten Verhandlungstipps“ entsprungen klingt, sollten Sie unbedingt eine Formulierung finden, die 100% zu Ihnen passt und die Sie „gut über die Lippen bringen“. Daher empfehle ich dringend die Antwort im Vorfeld laut auszusprechen. Bekommen Sie sie gut über die Lippen? Oder geraten Sie ins Stottern? Es genügt auf keinen Fall, die Aussage zu den eigenen Gehaltsvorstellungen nur verschriftlicht und nie ausgesprochen zu haben.
Nur beim lauten Aussprechen erleben Sie wie sich Ihre Antwort „anfühlt“ und welche Wirkung bestimmte Formulierungen auf andere erzielen kann: Klingt Ihre Antwort auswendig gelernt? Klingen Ihre Formulierungen glaubwürdig? Ist Ihre Antwort „zu dick aufgetragen“ oder das Gegenteil? Das laut Aussprechen Ihres Gehaltswunsches ist fundamental für ein gutes Verhandlungsergebnis.
Und damit kommen wir zum letzten und vielleicht wichtigsten Punkt dieses Artikels:
Fazit: Nur selten ist alles objektiv
Führen Sie sich vor Augen, dass jede Verhandlung individuell ist und das Ergebnis letztlich von den Interessen der Verhandlungsparteien abhängt. Wenn der Zeitpunkt stimmt, die Chemie zwischen den Beteiligten passt und Sie eine gute Verhandlungsatmosphäre hergestellt haben, kann das wichtiger sein, als alle oben genannten Punkte zusammen.
Und damit auf gute Verhandlungserfolge!
Über die Gastautorin
Karin Schwaer ist Wirtschaftsjuristin, Wirtschaftsmediatorin und Negotiator sowie Gründerin von GEHALTSSPRUNG für „Sie“!. Sie hat als Führungskraft in der freien Wirtschaft lange auf beiden Seiten des Verhandlungstisches gesessen und unterstützt nun qualifizierte und im Job erfolgreiche Menschen dabei, gut gelaunt und bestens vorbereitet in die Gehaltsverhandlung zu gehen.