Corona beeinflusst den Arbeitsmarkt und verändert die Karriere-Planung. Insgesamt werden weniger Stellen ausgeschrieben, der Recruiting-Prozess steht vor neuen Herausforderungen. Wer eine sichere Stelle hat, überlegt sich gründlich, ob er wirklich wechseln will, und wer Stellen ausschreibt, für den sind Video- und Telefon-Interviews längst an der Tagesordnung. Nachdem wir nun alle schon eine Weile mit diesen veränderten Umständen leben, stellt sich die Frage: Wie sieht der Stellenmarkt im sechsten Monat der Pandemie aus? Nicht nur latent Wechselwillige und akut Jobsuchende interessiert diese Frage, sondern auch Karriere- und Outplacement-Berater. Daher habe ich die heißen Augusttage genutzt und mit verschiedenen Akteuren des Stellenmarkts gesprochen – mit Inhouse-Personalern, externen Rekrutern und Outplacement-Beratern.
Uneinheitliche Entwicklungen am Stellenmarkt
Inhalt des Artikels
- Uneinheitliche Entwicklungen am Stellenmarkt
- Strategisch wichtige Funktionen werden weiterhin gesucht
- Rekruter können mit ausgeprägter Serviceorientierung punkten
- IT-Arbeitsmarkt nun auch betroffen
- Und welchen Eindruck haben Outplacement-Berater vom aktuellen Stellenmarkt?
- Fazit: Hier mehr, dort weniger Krise
Das Ergebnis: Es gibt nicht den EINEN Corona-Trend für den Arbeitsmarkt in Deutschland, der auf alle Branchen und Berufsgruppen zutrifft, sondern je nach Industrie und Berufsgruppe zum Teil sehr gegensätzliche Entwicklungen. Und einige Male blitzte bei mir der Gedanke auf, ob wir die Krise nicht herbeireden würden – und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Karriere-Planung somit, zumindest stellenweise, vielleicht in dunkleren Farben malen als notwendig?
Natürlich hat es viele Branchen schwer getroffen – das ist nicht zu leugnen. Während im Tourismus, der Luftfahrt- und Reisebranche sowie in der Gastronomie ein starker Rückgang an Vakanzen zu verbuchen ist, gibt es durchaus andere Branchen, in denen weiterhin eingestellt wird. „Der Lockdown hatte zunächst in vielen Unternehmen zu einer Art „Schockstarre“ und einem Hiring Freeze geführt“, schildert Sarah Jurczyk, Personalberaterin bei Pawlik Consultants. „Mit dem Lockdown wurden ein paar unserer Besetzungsmandate zumindest kurzfristig eingefroren. Viele wurden dann nach kurzer Zeit aber wieder freigegeben, oder sogar inmitten der Krise ganz neu gestartet. Das war beispielsweise in den Branchen Health Care und Telekommunikation der Fall“. Sie ergänzt, „Stark exportorientierte Unternehmen, bspw. in der Automotive Branche, sowie Unternehmen im Bereich der Investitionsgüter haben es im Moment schwerer aufgrund der Grenzschließungen und Unsicherheiten auf Kundenseite“. Und das spiegelt sich auch in der Anzahl der Vakanzen in diesem Segment wider.
Strategisch wichtige Funktionen werden weiterhin gesucht
Anders verhält es sich für strategisch wichtige Führungsfunktionen aus zum Beispiel Finance, Compliance, Operations oder Marketing. Diese würden auch weiterhin mit Nachdruck besetzt – Die Pawlik-Beraterin ergänzt „auch bei Vertriebs- oder vertriebsnahen Jobs suchen Unternehmen nach wie vor qualifizierte Mitarbeiter.“ In diesen und ähnlichen Bereichen könnten Sie also angesichts Corona aussichtsreichere Karriere-Pläne schmieden als beispielsweise im Event-Bereich.
Rekruter können mit ausgeprägter Serviceorientierung punkten
Die Rekruterin eines großen Energieversorgers berichtete, dass sie die Rekrutingprozesse unbehelligt von Corona weiterverfolgt hätten. Lediglich der überraschende „Umzug ins Home Office“ habe zu etwas Verzögerungen geführt. Schnell waren dann aber alle Auswahlgespräche auf Video-Interviews umgestellt. Die Suche nach Bewerbern mit systemrelevanten Berufen sei wie vor Corona gleich leicht bzw. gleich schwer. Bei dieser Bewerbergruppe könnten Rekruter im Moment mit ausgeprägter Serviceorientierung punkten. Dazu zähle zum Beispiel eine Rundum-Information für den Bewerber zum Ablauf der Video-Interviews: Wie wähle ich mich ein? Welche Details sind zu beachten? Wo bekomme ich Support, wenn das Konferenz-Tool nicht funktioniert?
IT-Arbeitsmarkt nun auch betroffen
Auch der IT-Arbeitsmarkt in Deutschland bleibt von der Corona-Krise nicht verschont. Das Hiring Lab von Indeed hat einen überdurchschnittlichen Rückgang von IT-Stellenausschreibungen festgestellt. Gleichzeitig sind steigende Arbeitslosenzahlen in IT-Berufen zu beobachten.
Und welchen Eindruck haben Outplacement-Berater vom aktuellen Stellenmarkt?
„Nachdem in den ersten Wochen des Lockdowns überhaupt nichts ging“, so eine Outplacement-Beraterin aus Düsseldorf, „haben sich die Auswahl- und Einstellungsprozesse in vielen Bereichen wieder normalisiert: Interviews werden geführt und Arbeitsverträge angeboten und verhandelt.“ In dem einen oder anderen Unternehmen habe sich der Auswahlprozess etwas verlangsamt, aber längst nicht flächendeckend.
Fazit: Hier mehr, dort weniger Krise
Der Arbeitsmarkt in Deutschland: Auch im sechsten Monat der Pandemie macht sich Corona nach wie vor bemerkbar, in einigen Branchen stärker als in anderen. Einfluss auf die Karriere-Planung in Corona-Zeiten haben u.a. Rückgänge von Stellenausschreibungen und Aufträgen in Bereichen wie der IT und natürlich sehr gravierend bei Veranstaltungen, Konferenzen und Messen. Weiter gesucht sind Talente für Finanzen, Compliance und Marketing. Für von Kündigung bedrohte oder latent wechselwillige Arbeitnehmer kann sich, mehr vielleicht noch als sonst, eine Beratung zur eigenen Karriere-Planung lohnen – oft unter dem Begriff der „Outplacement-Beratung“ anzutreffen. So lässt sich nicht nur die eigene Ausgangslage realistischer einschätzen, auch neue Perspektiven sind durch einen professionellen, neutralen Berater meist schneller gefunden als durch Kopfzerbrechen auf eigene Faust.